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Arthur mauert

VON DR. UDO BAER

Arthur war früher ein aufgewecktes Kleinkind. Doch nun wurde er immer verschlossener. Er mauerte und ließ niemanden an sich ran. Die Eltern bedrängten ihn, doch zu sagen, was mit ihm los sei. Die Erzieherin ebenfalls. Doch Arthur zog sich immer mehr zurück. Er zeigte kaum noch Gefühle – weder Trauer noch Ärger, weder Freude noch andere. Seine sozialen Kontakte litten darunter. Er spielte immer weniger mit den anderen Kindern und blätterte fast nur noch in Comics. Schließlich bekam er im Kindergarten eine Sonderförderung und einmal in der Woche eine Stunde bei einem Ergotherapeuten. Doch all dies schien den Druck auf Arthur noch zu verstärken.

Wovon es ausging, dass Arthur sich so entwickelte, war nicht herauszufinden. Vielleicht war es eine Trauer, die ihn überforderte oder ein anderer Stress – ein zu viel oder ein zu wenig. Auf jeden Fall aber wurde deutlich, dass die Bemühungen der Eltern und der Erzieher/innen dazu führten, dass der Druck auf Arthur sich verstärkte. Und auch die Angebote im Kindergarten und in der Ergotherapie verstärkten den Druck noch. Sie zeigten ihm „Ich bin falsch!“.

Nach einer Beratung gingen schließlich die Eltern einen anderen Weg. Sie bedrängten Arthur nicht mehr, doch mehr von sich zu zeigen, und zeigten statt dessen mehr von sich. Sie erzählten mehr über ihre Gefühle – ihre Freude, ihr Stolz sein, ihren Ärger – das ganze Spektrum dessen, was die Herzen von Menschen leben und zeigen. Arthur blickte anfangs mit staunenden Augen auf seine Eltern, die er vorher als sehr sachlich und intellektuell erlebt hatte, die Mutter sogar etwas überfordert. Doch dann ließ er sich anstecken. Er begann, die Gefühle der Eltern, vor allem des Vaters, zu teilen, lachte mich, trauerte mich, ärgerte sich mit …

Meine Erfahrung bei Kindern, die sich einmauern, ist immer, dass für diese Kinder etwas zu viel ist, dass sie etwas nicht bewältigt haben. Wenn dann der Druck kommt, sich zu verändern, sich zu zeigen, sich zu teilen, sich mitzuteilen, dann verstärkt das den Druck noch, dann überfordert das die Kinder noch mehr. Deswegen ist der erste und wichtigste Schritt, den Druck zu reduzieren.
Der zweite Schritt besteht darin, zu realisieren, dass wir Eltern Vorbild sind. Wenn Kinder ihre Gefühle nicht mehr zeigen können, dann sollten wir anfangen, unsere Gefühle zu zeigen.
Wenn Kinder nicht darüber reden können, was sie bedrückt, dann sollten wir darüber reden, was uns bedrückt. Wenn wir nicht zeigen, dass wir manchmal Probleme und Schwierigkeiten haben, wie sollen das dann die Kinder tun? Wir sind Vorbild, Kinder lernen von uns. Das ist das Entscheidende und das ist der Weg, der Kindern wie Arthur helfen kann und hilft.

Herzlich

Dr. Udo Baer 

für die DIXI Family-Academy